
Magische Wörter: Nebel, Rabe, Vampir, Werwolf, Hexe
Es ist einer dieser schrecklichen, nebeligen Tage. Richtig ungemütlich. Durch den dichten wabernden Nebel hört man schwach, von weitem, einen einsamen Raben krächzen…
Die kleine Hexe schlurft frierend durch den Wald. Sie war auf dem Weg zum Wichtelhaus. Es war nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die kleine Hexe heute zu spät zum Zaubersymposium käme. Wir alle wissen ja, so eine Wichteltür geht nicht einfach mal so auf. Nein, es bedarf eines bestimmten Zauberspruchs, der für jeden einzelnen, in einer bestimmten Zeitspanne wirkt. Das Symposium findet nur einmal in 100 Jahren statt. Alle Zauberwesen aus Unter-, Zwischen- und Oberwelt kommen hierher. Na, Hexchen, dann beeil dich mal.
Die kleine Hexe hat sich schon lange auf dieses Symposium gefreut, doch heute, wo der Tag da ist…, es ist paradox. Ihr ist ganz bang und traurig ums Herz, weil sie ihre ganze Zauberinspiration verloren hat. Die ganzen Jahrhunderte hindurch, war sie mit Freude am Hexen und Wirken, doch seit ein paar Jahren ist diese Begeisterung verschwunden. Ja, sie sinnt sogar darüber nach ihren „Job“ zu wechseln.
„Wie siehst du denn aus, kleine Hexe?“, hört sie es hinter sich raunen. Jack der Werwolf, wollte auch zum Symposium, musste aber kurz austreten und hatte sich hinter die Büsche verdrückt.
„Ja wie soll ich denn aussehen, so wie immer“, mault die kleine Hexe beleidigt zurück. „Vielen Dank, für dein Kompliment.“
„Ach, Hexchen, das meinte ich doch gar nicht so. Du schaust so traurig in die Welt, als wenn dir eine Laus über die Leber gelaufen wäre.“ Jack harkt die kleine Hexe freundschaftlich unter. „Wenn du willst, ich kenne ein paar ganz tolle Witze…“
„Nein, nein“, beeilt sich die Hexe ihn kurz zu unterbrechen. Denn der Werwolf war dafür bekannt, dass er die schlechtesten Witze der Welt erzählte. „Ich komme schon wieder auf die Beine, es ist nichts, nur ein kleiner Schnupfen.“
Eine Weile liefen sie schweigend weiter. „Du bist doch eine Hexe, warum zauberst du den Schnupfen nicht einfach weg?“, bohrte Jack dann doch weiter.
„Das geht so nicht“, schluchzt die kleine Hexe plötzlich auf.
Ganz erschrocken sprang Jack zur Seite. „Was hab ich denn gemacht? Wie, geht nicht? Hast du das Zaubern verlernt?“ Eine warme Mitleidswelle erfasste Jack und versucht die kleine Hexe zu trösten.
„Das wird schon wieder.“
„Gar nichts wird wieder! Solche dummen Sprüche kann ich einfach nicht hören. Und das Zaubern hab ich nicht verlernt.“ Nun kommt der Frust beim Hexchen erst richtig hoch.
„Entschuldige, ich wollte dir eigentlich mein Mitgefühl bekunden …“, so Jack leicht gekränkt.
Das Hexchen merkt nun auch, dass sie schon etwas unangemessen reagiert hatte. Sie beschließt auf dem Weg zum Wichtelhaus dem Werwolf ihr ganzes Dilemma zu erzählen.
„Das ist sicher ein ziemliches Problem für dich“, meint Jack, nachdem er der kleinen Hexe aufmerksam zugehört hatte. „Ich kann dich da leider nicht viel unterstützen. Aber ich kann dir mal von meinem Freund erzählen. Du musst mir aber versprechen, dass du es keinem weitererzählst. Es ist ihm nämlich sehr peinlich, wenn er wüsste, dass noch jemand anders etwas davon weiß. Ich sag zumindest keine Namen. Aber du musst schwören, abgemacht?“
„Abgemacht!“ Die kleine Hexe war nun schon neugierig geworden, da Jack so ein Wesen um seine Geschichte machte.
„Also, mein Freund ist ein Vampir und der, halt dich fest, hatte totale Panik, wenn er Blut sah. Eine Zeit lang war es sogar so schlimm, dass er zwei Sekunden später in Ohnmacht fiel.“
„Was hat dein Freund denn dann gemacht, er musste doch irgendwie essen?“ Die kleine Hexe wollte nun auch das Ende der Geschichte hören.
„Das Essen war gar nicht so das Problem, denn in fester Form konnte er gut damit umgehen. Das schlimme war, mein Freund arbeitete in einem Krankenhaus und musste jeden Tag Blutkonserven von A nach B schaffen. Eine Weile konnte er es geheim halten, doch irgendwann flog er auf. Die Kollegen redeten auf ihn ein: Er müsse nun seinen Job aufgeben, das wäre nichts für ihn, wie will er denn arbeiten, wenn der ständig in Ohnmacht fiele und so weiter … Verstehst du worauf ich hinaus will?“
„Ja ja, erzähl weiter!“
„Mein Vampirfreund, aber überlegte sich, genauso wie du, den Beruf zu wechseln, aber am Ende blieb er doch.“
„Wie hat er denn das gemacht, erzähl weiter?!“ Hexchen so ganz aufgeregt.
„Er hatte gemerkt, wenn er Musik hörte und sich vorstellte es wäre irgendetwas anderes als Blut, war es nicht so schwer für ihn. Doch der Knackpunkt, er holte sich Hilfe. Er ging in Therapie und nach einiger Zeit hat sich sein Zustand gebessert. Jetzt merkt keiner mehr, was er für ein Problem hatte.“
Ein bisschen enttäuscht meinte die Hexe: „Alles schön und gut, aber bei mir ist es doch ganz anders, ich habe meine Inspiration verloren. Mir macht meine Zauberei einfach keinen Spaß mehr. Da kann ich nicht einfach mal zum Therapeuten um die Ecke.“ Das Hexchen ist frustriert. So spannend die Geschichte am Anfang war, konnte sie mit dem Inhalt nicht viel anfangen und fand der Werwolf hat wieder Mal einen blöden Witz reisen wollen, nur halt ein bisschen schön verpackt.
„Ach du stiehlst mir nur meine Zeit, ich kann dich ja in einen Frosch verwandeln, dann wirst du sehen wie weit du kommst, dich über mich lustig zu machen!“
„Ja ich dachte, du hast keinen Spaß mehr dran zu zaubern?“, wundert sich der Werwolf.
„Ist ja auch so, es macht mir keinen Spaß, jeden Tag irgendeine andere Schandtat zu vollbringen“, heult die kleine Hexe auf.
„Keiner sagt, dass du ständig Schandtaten vollbringen sollst!“
„Ich muss doch dem Ruf alle Ehre machen. Hexen müssen Schandtaten vollbringen, sie müssen böse Zauber vollziehen und müssen Unglück und Sorgen über die Menschen bringen.“ Die Stimme der kleinen Hexe überschlägt sich fast.
„So ein Quatsch!“, Jack bricht fast um vor Lachen. „Wie lange hast du schon das Problem? Dann schau doch mal in eine andere Richtung. Was hält dich denn davon ab, Gutes zu bewirken mit deiner Zauberei?“
„Dafür sind doch schon andere zuständig“, resigniert die kleine Hexe. „Und überhaupt, ich weiß gar nicht wie das geht.“
„Schau doch einfach mal in dich selbst hinein. Ich glaube schon, dass du im Grunde weißt, was du tun musst, sonst hättest du doch jetzt nicht das Problem. Du willst es vielleicht nur noch nicht wahrhaben“, harkt Jack nach.
„Hmm“, meint die kleine Hexe vorsichtig. „Das klingt schon irgendwie gut. Ich kann’s ja mal probieren.
„Du wirst dich nie 100 Prozent bereit für deinen Herzenswunsch fühlen! Wie lange willst du denn noch warten? Aber etwas tun, musst du schon selber.“, ermuntert Jack sie.
„Schau, wir sind ja schon da! Ich lass dir den Vortritt. Ich komm gleich nach. Wir sehen uns dann drinnen.“
„Das ist ganz lieb, von dir, Jack, wir sehen uns drinnen und vielen, vielen Dank, für die gute Unterhaltung, bis gleich, wir sehen uns“, verabschiedet sich die kleine Hexe jetzt freudestrahlend und ging mit ihrem Zauberspruch durch die Wichteltür.
Der Tag ist gar nicht so nebelig und trübe, wie ich vorhin gedacht hatte, resümierte die kleine Hexe so bei sich und dachte mit guten Gedanken, an das Gespräch mit dem Werwolf, zurück. Voller Spannung erwartete sie nun, was das Zaubersymposium in diesem Jahrhundert zu bieten hatte …
Ende

Adventskalender – No.13
Morgen mit den magischen Wörtern:
Schornsteinfeger, Kleeblatt, Marienkäfer, Hufeisen
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